SP Basel-Stadt

Machen wir feministische Kantonspolitik!

Website von Barbara Heer

c Bieler Tagblatt 2017

Beruf

Beruflich bin ich Gleichstellungsbeauftragte in einer internationalen Organisation.

Grosser Rat

Basel gehört uns allen! Ich kandidiere als Bisherige für den Grossen Rat (20.10.2024) und möchte auch deine Anliegen für ein soziales und vielfältiges Basel vertreten.

Wissenschaft

Abhängigkeitsverhältnisse, Privilegien und soziales Zusammenleben in Städten des Südens: Als Ethnologin habe ich zu diesen Themen geforscht und publiziert.


Blogbeiträge

 

Die Regierung muss jetzt Antidiskriminierungsmassnahmen zum Thema Betteln ausarbeiten

Der Grosse Rat hat meinen Vorstoss gutgeheissen und der Regierung überwiesen. Hier publiziere ich die schriftliche Version von meinem Schlussvotum zur Debatte (bz basel).

Votum gehalten am 17.11.2021

Anderen Menschen auf Augenhöhe begegnen, respektvoll miteinander umgehen, das sind Tugenden, die in unseren Schulen vermittelt werden, die für unser Zusammenleben wichtig sind, die uns auch hier im Grossen Rat wichtig sind.

Bei der Bettelthematik, also wie die Bewohnenden, die Behörden, die Politik, viele Medien dieser Stadt, mit Bettelnden umgehen, da geht dieses einfache Prinzip – Respekt, sich in die Augen schauen, den anderen zuhören – gerne mal vergessen.

Das möchte mein Vorstoss ändern. Er verlangt etwas, was in der sozialen Arbeit, in der Entwicklungszusammenarbeit, heute einfach professioneller Standard ist: Partizipation der Betroffenen und ein ganzheitlicher Ansatz. Der Anzug fordert schlicht Dinge, die eine Verwaltung tun sollte, wenn sie mit einem hochkomplexen Thema konfrontiert ist. Sie sollte alle Players an einen runden Tisch bringen, sie sollte Best Practices von anderswo konsultieren, und sie sollte Massnahmen treffen, die die Situation langfristig verbessern. Insbesondere sollte sie sich mit den Betroffenen auseinandersetzen, ihre Bedürfnisse zu verstehen versuchen, und das ganze sorgfältig beobachten.

Klar ist – die hohe Dichte der Bettelnden in der Stadt ab Sommer 2020 bis Frühling 2021 hat viele in der Bevölkerung gestört, aggressive Formen von Betteln haben irritiert und Angst gemacht. Es ist verständlich, dass Menschen mit Abwehr reagieren, wenn die Ordentlichkeit der Basler Strassen plötzlich vorübergehend nicht mehr da zu sein scheint.

Irritation und Ärger in so einer Situation zu empfinden ist normal. Hass hingegen ist es nicht. Hass in so einer Situation zu empfinden, extreme Abschätzigkeit mit Worten oder gar Taten zum Ausdruck zu bringen – Bettelnden bespucken, Bettelnde bedrohen, extreme Respektlosigkeit – das kann und darf nicht normal sein. Die Ursachen für solche, ich nenne sie mal extremistischen Reaktionen sind nicht bei den Bettelnden zu suchen. Das wäre klassisches Victim-Blaming. Die Ursachen sind bei uns selber zu suchen, bei der Schweizer Mehrheitsgesellschaft.

Hass und der Verlust von Respekt gegenüber Bettelnden hat zu tun mit tief verwurzelten und häufig unbewussten Vorurteilen gegenüber Roma-Minderheiten. Früher nannte man das Zigeunerfeindlichkeit, heute  Antiziganismus.  

Wie der Antisemitismus zieht sich der Antiziganismus durch die Jahrhunderte der europäischen und Schweizer Geschichte. Die Geschichte des Umgangs der Schweiz mit Roma, Sinti und Jenischen existiert kaum in den Schweizer Schulbüchern. Auch in der Verwaltung ist das Wissen über diese Geschichte begrenzt. Eine wichtige Ausnahme ist die KESB. Im Oktober fand in Basel ein Gedenkanlass statt für Betroffene von Fürsorgerlichen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen, es gibt neue eine Tafel im Hof des Ratshauses, die an dieses Unrecht erinnern, dass auch Jenische betraf. Im Rahmen des «Hilfswerks für die Kinder der Landstrasse» von Pro Juventute wurden systematisch Kinder von Jenischen unter Zwang fremdplatziert, weil man ihren Lebensstil auslöschen wollte.

Während dem 2. Weltkrieg fand nicht nur ein Völkermord an den Jüdinnen und Juden statt, sondern auch ein Völkermord an Roma-Minderheiten. Wie für Jüdinnen und Juden waren auch die Grenzen der Schweiz für Angehörige von Roma-Minderheiten geschlossen. Dieses Abweisen von Roma an den Grenzen ging nach dem 2. Weltkrieg weiter, bis 1972 gab es ein Rundschreiben für die Grenzbehörden der Schweiz mit der Anweisung, dass sogenannte "Zigeuner» an der Grenze abzuweisen sind. Grenzbehörden und Polizeibehörden haben, anders als die KESB, ihre Geschichte im Umgang mit Roma-Minderheiten noch nicht aufgearbeitet. Dieses fehlende Bewusstsein beeinflusst der heutige Umgang des Justiz- und Sicherheitsdepartementes mit der Thematik.

In unserer humanistischen Stadt sollten wir allen Menschen auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen. Deshalb braucht es Antidiskriminierungsmassnahmen zur Thematik des Bettelns. Deshalb würde ich mich freuen, wenn Sie meinen Vorstoss der Regierung überweisen.

Barbara Heer