Barbara Heer

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Als frisch gebackene Mutter in der Politik

Im März 2020 bin ich Mutter geworden. Mutter werden und ein politisches Amt innehaben ist (noch) keine Selbstverständlichkeit. Als Feministin vertrete ich die Ansicht, dass das Private politisch ist, und gebe deshalb etwas Einblicke, wie meine Mutterschaft meine politischen Themen prägen.

Die Parlamente repräsentieren in keinster Weise die schweizerische Gesellschaft. Das Parlament funktioniert traditionellerweise für gesunde Männer ohne Betreuungspflichten, die es sich leisten können, im Grossen Rat zu sitzen. Frauen, die als Parlamentarierinnen Mütter werden, passen eigentlich nicht ins System: es gibt sogar strukturelle Hürden für frisch gebackene Mütter, am Ratsbetrieb teilzunehmen (mehr dazu unten). Wenn unsere Parlamente zu Parallelwelten werden, mit wenig Bezug zu der Vielfalt, die den städtischen Alltag prägt, leidet die Qualität der Demokratie. Es geht dabei nicht nur um den Zugang zu parlamentarischen Politik für frisch gebackene Mütter, sondern z.B. auch um Stadtbewohner*innen ohne Schweizer Pass, Menschen, die einen mobilen Lebensstil pflegen, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen etc. .

Mutterschaft und Parlament - (un)vereinbar?

Aufgrund der geltenden Bundesgesetzgebung kann eine Parlamentarierin nach der Geburt eines Kindes, ihren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung aus ihrer beruflichen Tätigkeit verlieren, wenn sie während ihres Mutterschaftsurlaubs ihre Parlamentstätigkeit wieder aufnimmt und die damit verbundenen Sitzungsgelder bezieht (Art.16d EOG, Art. 25 EOV). In Basel-Stadt ist es zwar möglich, während des Mutterschaftsurlaubs an Grossratssitzungen teilzunehmen und auf das Sitzungsgeld zu verzichten. An Kommissionssitzungen kann frau*aber definitiv nicht teilnehmen während des Mutterschaftsurlaubs, da frau* automatisch Sitzungsgeld dafür erhält. Ich habe deshalb zusammen mit Beatrice Messerli von BastA! eine Standesinitiatve eingereicht, damit die Bundesgesetzgebung angepasst wird.

Aus meiner Sicht muss zudem darüber diskutiert werden, ob ein Stellvertretungssystem eingeführt werden kann. Mit tatkräftiger Unterstützung meines Freundeskreises und natürlich meines Mannes konnte ich tatsächlich im dritten Monat meines Mutterschaftsurlaubs wieder an Grossratssitzungen teilnehmen - externe Kinderbetreuung in einer Institution gibt es für so kleine Babies noch gar nicht. Dass dies funktionierte, ist für mich keineswegs selbstverständlich, und sollte nicht einfach vorausgesetzt werden. Zudem finde ich, dass auch Parlamentarierinnen das Recht haben sollen, ihren Mutterschaftsurlaub ohne politisches Engagement verbringen zu dürfen, wenn sie das wünschen.

Das Basler Parlament macht übrigens kleine Schritte in die richtige Richtung. Es gibt neu ein Stillzimmer im Rathaus und einen Leitfaden für Parlamentarierinnen, die Mütter werden.

Wer keine Vertretung im Parlament hat, dessen Bedürfnisse gehen vergessen

Politiker*innen bringen immer auch Themen ins Parlament, welche sie im Alltag beschäftigen. Wenn stillende Mütter nicht im Parlament vertreten sind, bedeutet das, dass sie kaum eine Lobby haben und ihre Bedürfnisse vergessen gehen. Deshalb ist es eben so wichtig, dass unsere Parlamente so vielfältig wie möglich sind.

Als frisch gebackene Mutter und Feministisn bringe ich also Themen aufs politische Parkett, die frisch gebackene Eltern beschäftigen. Eines der wichtigsten Forderungen des Frauen*streiks ist es aus meiner Sicht, dass die unbezahlte Care-Arbeit gerechter verteilt werden muss (siehe Medienmitteilung der SP Fraktion dazu). Sorgearbeit ist unverzichtbar für die wirtschaftliche Leistung und den Wohlstand unseres Kantons. Ohne Care-Arbeit läuft auch in Basel nichts.

In einem Vorstoss fordere ich zum Beispiel, dass werdende Eltern bei der Aufteilung der Lohn- und Care-Arbeit stärker unterstützt werden sollen. Eltern zu werden hat einschneidende Auswirkungen auf die Aufteilung von Lohn- und Sorgearbeit zwischen Elternteilen. Viele strukturelle Gegebenheiten wirken auf eine ungerechte Verteilung der Care-Arbeit hin (z.B. Lohnungleichheit, fehlende Elternzeit, schlechte Vereinbarkeit von Familie & Beruf, hohe Kosten und Lücken bei der externen Kinderbetreuung). Eltern sollen befähigt werden, den Handlungs- und Entscheidungsspielraum besser zu nutzen, wie sie Lohn- und Sorgearbeit untereinander aufteilen. Es braucht für werdende Eltern nicht nur Vorbereitungsangebote für die Geburt, sondern auch für die Zeit nach der Geburt eines Kindes. Insbesondere die finanziellen Auswirkungen auf die Altersvorsorge der Frauen wird häufig zu wenig mitgedacht.