Für ein feministisches JA zum Übertretungsstrafgesetz
Am 24. November stimmen wir über das Übertretungsstrafgesetz ab. Mit der Abschaffung vom Bettelverbot und der Gleichbehandlung von Prostituierten und Freiern wird die Hausordnung unserer Stadt einiges sozialer. Damit das Wirklichkeit wird, müssen wir alle unser Wahlcouvert ausfüllen mit einem JA zum Übertretungsstrafgesetz und es bis spätestens am 19. November auf die Post bringen.
Das Übertretungsstrafgesetz ist so etwas wie die Hausordnung unserer Stadt. Im kantonalen Übertretungsstrafgesetz erfassen Kantone Delikte, die im eidgenössischen Strafgesetzbuch nicht abgedeckt sind. Darin werden viele kleine Themen geregelt – vom Taubenfüttern bis zum Pinkeln im öffentlichen Raum. Übertretungen werden generell mit Bussen bestraft, die direkt vor Ort ausgesprochen werden, im Gegensatz zu schwerwiegenderen Delikten wie Vergehen (Geldbusse oder Freiheitsstrafe) oder Verbrechen (Freiheitsstrafe).
Das heute in Basel gültige Übertretungsstrafgesetz stammt von 1978 und widerspiegelt somit die Realitäten des damaligen Basels. Das totalrevidierte Gesetz, über das wir am 24. November abstimmen, ist zeitgemäss, von unnötig gewordenen Paragraphen entrümpelt, und, was das Wichtigsten ist, sozialer.
Endlich Gleichbehandlung von Freiern und Prostituierten im Gesetz
Eine aus feministischer Perspektive wichtige Änderung bringt das Gesetz im Bereich Prostitution. Neu werden nämlich Freier und Prostituierte im Übertretungsstrafgesetz gleichbehandelt, wenn es um das Ansprechen von Fremden zwecks sexueller Dienstleistungen im öffentlichen Raum geht. Im alten Übertretungsstrafgesetz werden nämlich nur die Sexarbeiter*innen bestraft, wenn sie ausserhalb des Rotlichtviertels (der sogenannte «Toleranzzone») auf Kundensuche gehen, was einer einseitigen Kriminalisierung der Prostituierten entspricht.
Es gibt schliesslich auch das andere Phänomen: Männer resp. Feier*innen, die auf der Strasse fremde Frauen resp. Personen ansprechen mit Sprüchen wie «hey, wie viel kostest du». Das kann für die Betroffenen sehr unangenehm sein: Einerseits, weil Sexarbeiter*innen auch mal privat in der Stadt unterwegs sein wollen, ohne von Freiern angesprochen zu werden. Andererseits, weil Rassismus und Vorurteile gegenüber dunkelhäutigen Frauen bewirken, dass diese häufiger als andere im öffentlichen Raum als Prostituierte angesprochen werden. Es ist deshalb wichtig und richtig, dass im neuen Gesetz auch die Freier*innen in die Pflicht genommen werden, in dem sie, analog zu den Sexarbeiter*innen, neu mit Busse bestraft werden können, wenn sie ausserhalb der «Toleranzzone» im öffentlichen Raum sexuelle Dienstleistungen suchen.
Abschaffung vom Bettelverbot
Armutsbetroffene Menschen erleben aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation in ihrem Alltag nicht nur soziale Stigmatisierung, sondern häufig auch eine rechtliche. So ist im alten, immer noch gültigen Übertretungsstrafgesetz Betteln in Basel grundsätzlich verboten, was bedeutet, dass verzweifelte Menschen, die keinen anderen Ausweg mehr sehen als zu betteln, dafür noch mit Busse bestraft werden. Sollen in unserer städtischen Hausordnung gesellschaftlich bereits mehrfach ausgegrenzte Personen sogar noch mit dem Hammer des Strafgesetzes sanktioniert werden? Nur weil ein Teil der Stadtgesellschaft nicht mit dem Anblick von Not und Armut im öffentlichen Raum konfrontiert werden möchte, ist das noch lange kein Grund, Betteln grundsätzlich zu verbieten.
Im neuen Übertretungsstrafgesetz wird deshalb das Bettelverbot aufgehoben; nur noch, wer andere zum Betteln schickt oder Teil einer Bettelbande ist, wird bestraft. Betteln als eine Form der Hilfesuche ist nämlich ein elementares Freiheitsrecht, und gehört zum Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) in unserer Bundesverfassung. Jede*r habe das Recht, andere Menschen um Hilfe anzugehen, jeder Mensch hat auch das Recht, selber zu entscheiden, ob sie/er eine Spende gibt oder nicht. Es muss möglich sein, dass mittellose Menschen durch Betteln ihre prekäre Situation verbessern, auch wenn dies Einzelne als Belästigung empfinden mögen.
Damit Filme zeigen am Handy nicht mehr verboten ist
Im Übertretungsstrafgesetz von 1978 wurden alle Lautsprecher im öffentlichen Raum unter eine Bewilligungspflicht gestellt, gemeint waren damals vor allem grosse Lautsprecher. Heutzutage tragen wir in unserem Alltag aber unzählige Kleingeräte mit Lautsprecher herum, vom Laptop bis Mobiltelefon und Bluetooth Lautsprecher. Tatsächlich bedeutet die bis heute gültige Bewilligungspflicht von Lautsprechern, dass es in Basel eigentlich verboten ist, in einem Park einer anderen Person ein Video auf dem Handy zu zeigen, bei dem der Ton läuft. Eigentlich müsste man vorher eine Bewilligung einholen. Da aber gar keine Bewilligungen für den Privatgebrauch von kleinen Lautsprechern erteilt werden (und auch niemand eine solche Bewilligung beantragt), existiert heute eigentlich ein Totalverbot. Allen ist klar, dass diese totale Bewilligungspflicht von niemandem beachtet wird. Umso mehr ist es höchste Zeit, die Gesetze realistisch zu gestalten.
Im neuen Übertretungsstrafgesetz wird die Bewilligungspflicht nun etwas gelockert: Tagsüber benötigt man keine Bewilligung mehr für Lautsprecher, ab 22.00 jedoch weiterhin. Dies bedeutet aber nicht, dass man jetzt tagsüber am Rhein unbegrenzt den eigenen Bluetooth Lautsprecher aufdrehen darf. Denn, wer «Lärm verursacht, der über das üblicherweise zu tolerierende Mass am fraglichen Ort oder zur fraglichen Zeit hinausgeht» (neues Üstg, §5d) wird weiterhin von der Polizei gemahnt, und wenn man das Volumen nicht herunter dreht, gibt es eine Busse. Anstelle einem Totalverbot bringt das neue Gesetz eine leichte Liberalisierung der Bewilligungspflicht tagsüber, was bedeutet, dass neu der gesunde Menschenverstand und Verhältnismässigkeit der Umgang mit Lautsprechern bestimmen wird - sowohl für die Rheinnutzenden, für Anwohnende, als auch für die Polizei.
Unterschiedliche Bedürfnisse rund um Freizeitverhalten am Rhein führen häufig zu Konflikten zwischen Anwohnenden, die in Ruhe ihre Wohnung geniessen wollen, und Rheinnutzenden, welche das Rheinleben und die Gesellschaft pflegen möchten. Was es braucht für ein gutes Zusammenleben in der Stadt, ist ein vernünftiges Mit- und Nebeneinander mit Dialog, Augenmass und gegenseitiges Aufeinander zu gehen. Was dabei wenig hilft, ist die harte Keule des Strafgesetzbuches. Deshalb passst das neue Übertretungsstrafgesetz zum urbanen Basel, und es ist wichtig, dass wir am 24. November Ja stimmen .
12.11.2019, Barbara Heer
Weitere Informationen: https://ja-zum-üstg.ch/